Ein Plädoyer für den internen Produktmanager

Das Produktmanagement ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg eines Produktes. Der Produktmanager hat stets das Ziel, ein Produkt auf dem Markt zu positionieren und es erfolgreich an den Kunden zu bringen. Dazu stimmt er sich intern ab und klärt, welches Produkt oder welche Produktlinie des Unternehmens auf dem Markt geeignet sind. Gleichzeitig hat der Produktmanager den Markt im Auge, um auf Veränderungen zu reagieren, d.h. das richtige Produkt oder die richtige Produkteigenschaft zur richtigen Zeit zu präsentieren.

Bei dem Begriff “Markt” denken viele hier an die große externe Gruppe, die heiß umkämpft über Marketing angesprochen wird und die mitunter extrem aufwändig beworben wird.

Viele Unternehmen vergessen dabei, an den internen Markt zu denken, nämlich den der Anwender in einem Unternehmen:

“Sowas haben wir nicht. Wir machen nur Projekte und keine Produkte”

Fängt hier nicht ein folgenschwerer Irrtum an?

Interner Markt?

Vielen fällt es sehr schwer, sich einen internen Markt vorzustellen, der mit guten Produkten beworben wird:

Wozu denn eigentlich? Unser Geschäftsmodell sind doch externe Produkte und Dienstleistungen!”

Stimmt. Dieses Geschäftsmodell funktioniert aber nur mit Hilfe von Mitarbeitern, die bei ihrem Beitrag zum Geschäftserfolg tagtäglich diverse Tools benutzen. Wie entstehen diese Tools? Es werden Standardkomponenten eingekauft, mit Anpassungen versehen, mit anderen verknüpft und Fehlendes per Individualentwicklung hinzugefügt. Am Ende ergibt sich quasi eine eigene spezielle Anwendung, mit der viele hunderte – manchmal tausende – Mitarbeiter arbeiten (müssen).

Diese Anwendungen sollen die Geschäftsprozesse optimal unterstützen und die Anwender sollen sich nicht gezwungen fühlen, etwas nutzen zu müssen. Wieso sollte man das Ergebnis nicht Produkt nennen?

Warum sollte man interne Anwender umwerben?

“Warum soll ich viel Aufwand und Geld in das Bewerben interner Produkte stecken? Das bezahlt mir doch niemand, also kann sich das doch gar nicht rechnen!”.

Bei externen Produkten kann ich den ROI (return on invest) einfach berechnen: wie viele Lizenzen müssen verkauft werden, um die Entwicklungskosten wieder rein zu holen. Intern ist das viel schwieriger, weil für den Einsatz des internen Produktes kein Geld fließt. Hier sind vielmehr Produktivität und Effizienz von Bedeutung.

Bei der Orchestrierung der Anwendungslandschaft zu einem großen Ganzen entstehen Schwierigkeiten, selbst wenn jede einzelne Anwendung für sich gut ist. Die Anwendungslandschaft dient dazu, die Geschäftsprozesse optimal abzubilden und damit den einzelnen Mitarbeiter in seiner täglichen Arbeit zu unterstützen. Jede Störung bei der Benutzung einer Anwendung wirkt sich negativ auf die Motivation der Mitarbeiter aus. Schlussendlich sinkt die Produktivität – d.h. schlechte Anwendungen kosten bares Geld.

Wenn ein (externes) Produkt diese Mankos aufweisen würde, ließe es sich auf dem freien Markt nur sehr schwer verkaufen. Schlechte (externe) Anwendungen werden ausgetauscht! Interne Anwendungen scheinen dagegen unantastbar. Diese werden im Extremfall per Arbeitsanweisung ‘durchgedrückt’. Hier hört dann das Umwerben eindeutig auf und der ROI verzögert sich.

Stellen Sie sich doch mal vor, ihre Mitarbeiter und Kollegen würden sich freuen, morgens zur Arbeit zu gehen. Sie könnten den ganzen Tag mit einer Anwendung arbeiten, die ihnen auch Spaß macht und über die sie sich nicht ärgern (müssen). Ihre Mitarbeiter und Kollegen wären motiviert! Dies würde letztendlich dann auch zu einer Produktivitätssteigerung führen.

Hindernisse

“Das ist doch unrealistisch! Das kann doch gar nicht funktionieren!”

Was macht das Ganze eigentlich so schwer?

Der interne Markt funktioniert anders als der externe: Alles fängt wohl mit dem Spannungsfeld von Kompromissen an, die Abteilungen eingehen müssen. Doch warum müssen Abteilungen Kompromisse eingehen? Wenn jede Abteilung selbst entscheiden könnte, würde eine Tool-Vielfalt entstehen und damit sehr schnell Folgeprobleme:

  • Das Verknüpfen der Anwendungen zu einem funktionierenden Geschäftsprozess ist dann stark eingeschränkt.
  • Die Betreuung der heterogenen Anwendungslandschaft wird dann sehr aufwändig (Updates, Lizenzen, Server).
  • Die Vertretungsmöglichkeiten der jeweiligen Ansprechpartner werden eingeschränkt, da sich nur sehr wenige mit einer Anwendung auskennen.

Die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau hat wohl jedes Unternehmen schon erlebt  und musste am Ende dann doch feststellen, dass man es eben nicht allen recht machen kann.

Sehr viele Unternehmen trennen die Fachseite und die IT in unterschiedliche Abteilungen. Die einen wenden an, die anderen stellen bereit. Die IT wird sehr oft mit der Suche nach den am besten geeigneten Tools (Anwendungen) für die Fachseite beauftragt – ohne dass sie die echten Nutzeranforderungen kennt. Sollte die IT dann noch in ein eigenes Profit-Center ausgelagert sein, wird die Entfernung zu den Fachabteilungen noch größer und es entsteht ein zusätzlicher Konflikt: Die IT als Profitcenter richtet sich primär auf Effizienz aus, d.h. immer mehr Anwendungen laufen auf immer weniger physischen Rechnern oder gleich virtuell und können von immer weniger Administratoren betreut werden.

Die Fachabteilungen haben sicherlich nichts dagegen, nur stellen die sich selber eher die Frage nach der Effizienz und der Effektivität bei der Nutzung einer Anwendung! Als logische Konsequenz entzünden sich die Konflikte immer wieder an dieser Trennung und den entsprechenden Zielkonflikten.

Eine weitere wichtige Frage ist, wo eigentlich die Projektleitung angesiedelt ist – in der IT oder in der Fachabteilung? Wenn interne Projekte für Kunden realisiert werden, kommen die Ansprechpartner entweder aus dem einen oder dem anderen Bereich. Die Hauptziele sind dann entsprechend des jeweiligen Fokus gefärbt. Uns ist noch kein erfolgreiches Projekt gelungen, bei dem auf eine der beiden Seiten verzichtet wurde.

Eine IT-Lösung muss der Fachabteilung optimal helfen und dennoch leicht von der IT betrieben werden können. Fachabteilungen und IT-Betrieb werden leider zu selten an gemeinsamen Zielen und Erfolgen gemessen.

Was macht nun den internen Produktmanager aus?

“Jetzt wird es immer klarer. Aber wozu dann einen Produktmanager? Das können doch Projektleiter ebenso”

Der Produktmanager richtet seine Entscheidungen am Gesamterfolg des Unternehmens aus und er ist ein Experte bei der Entwicklung von wirtschaftlichen Lösungen. Er denkt unternehmerisch und muss die Bedürfnisse des internen Marktes im Auge behalten. Die Realisierung der wirtschaftlichen Lösungen erfolgt über aufeinander aufbauende Projekte, für die dann der Projektleiter zuständig ist.

Ein interner Produktmanager ist verantwortlich für nahezu jedes interne Vorhaben. Sei es die Einführung einer neuen Abrechnungssoftware, die Umstellung der Zeiterfassung oder auch ‘nur’ der Rollout einer neuen SAP-Version. Sicherlich funktioniert die nicht ohne die Mitarbeit der Betroffenen:

  • Die IT betrachtet diese Software als Infrastruktur.
  • Die Fachabteilung betrachtet diese Infrastruktur dagegen als ihr Werkzeug für die Wertschöpfungskette des Unternehmens.

Wenn jedes Unternehmen einen internen Produktmanager hat, der beide Seiten als Einheit betrachtet und das Ziel hat, ein Produkt auf dem internen Markt zu positionieren und es erfolgreich zu machen, dann gäbe es:

  • viel weniger Abstand zwischen IT und Fachabteilung und damit weniger Konflikte und mehr Kompromissbereitschaft,
  • die Möglichkeit, die internen Anwender als Kunden zu betrachten, um die es sich zu werben lohnt und
  • die Chance einer Produktlinie mit Roadmap und einem Business-Plan, der kontinuierlich zur Strategie des gesamten Unternehmens gehört.

Der interne Produktmanager ist ein übergeordneter Koordinator in einer eigenen Abteilung, die alle Interessen der Fachabteilungen und der IT berücksichtigt und die Ergebnisse sehr gut nach innen verkaufen kann. Das wäre eine Chance für viele “Will-ich-haben”-Projekte und damit für mehr Effektivität und Effizienz im Unternehmen und – letztendlich – für noch mehr Erfolg auf dem externen Markt.

Wir plädieren für den internen Produktmanager!

 

Tassilo Kubitz, Michael Bouschen und Torsten Trzewik